Lehrgang „Totholz schafft Lebensraum“
Viele interessante Ideen und Anregungen zur Umsetzung zum aktuellen Thema der NATURE-CHALLENGE konnten die Teilnehmer beim Lehrgang „Totholz schafft Lebensraum“ des Landes-fischereiverbandes Westfalen und Lippe e.V. (LFV) erfahren. Der Praxislehrgang ist Teil des neuen Naturschutzwettbewerbes –NATURE-CHALLENGE– des LFV, bei dem die Jugendleiter und Jugendbetreuer aus den Vereinen erste Erfahrungen mit dem aktuellen Thema sammeln und diese eigenhändig umsetzen konnten. Der Wettbewerb in diesem Jahr hat das Thema „Förderung der Artenvielfalt im und am Gewässer durch den Einsatz von Totholz“ und greift damit einen wesentlichen Aspekt zur ökologischen Bedeutung von Totholz am/im Gewässer auf.
Totholz hat viele positive Eigenschaften und gehört heutzutage zum Leitbild eines intakten Gewässers. Die NATURE-CHALLENGE 2012 hat das Ziel, den Jugendgruppen in den Vereinen die Bedeutung von Totholz in/an einem Gewässer vorzustellen, damit sich daraus eigene Ideen und Projekte entwickeln. „Wir wollen den Jugendleitern Hilfestellungen zum Wettbewerb anbieten, damit sie die Erfahrungen aus diesem Lehrgang auch in vereinseigenen Projekten umsetzen können“, so Benedikt Heitmann, Jugendreferent des LFV.
Die Informationen zum Projekttag gibt es aber nicht nur für die Teilnehmer des Praxislehrgangs. Im Folgenden wollen wir die Themen dieses Tages vorstellen und von den Erfahrungen im Umgang mit Totholz am Angelgewässer berichten. Denn es gibt viele Möglichkeiten, Totholz als Strukturverbesserer und zur Förderung der Artenvielfalt in ein Gewässer einzusetzen. Die Themen des Praxislehrgangs zur NATURE-CHALLENGE werden auch als Vorlagen zum Nachbauen in dieser PDF Datei vorgestellt: Lehrgangsvorlage
Im Rahmen des Projekttages stellten Benedikt Heitmann und Anika Rohde viele praxisnahe Beispiele zur Umsetzung des Themas vor. Pünktlich zum Lehrgangsbeginn hörte es auf zu regnen und zeitweise blickte die Sonne durch die graue Wolkendecke. Das kühle Wetter konnte die Teilnehmer, die sich am Verbandsgewässer Wichumer See bei Heek getroffen hatten, nicht abschrecken:
Interessiert folgten Sie den Ausführungen von Anika Rohde und Benedikt Heitmann, die zu Beginn den Einsatz von sogenannten Raubäumen erläuterten. „Unter Raubaum versteht man einen frisch gefällten Baum oder Teile davon, der im Uferbereich von Seen der Strukturverbesserung dient oder in Fließgewässern einen Beitrag zur Uferstabilisierung darstellt“, so Heitmann. Nachfolgend wurde im Uferbereich eine Erle so gefällt, dass ihre Krone mit einem lauten Platsch in den See fiel. Sie wird zukünftig die monotone Uferstruktur aufwerten, Aufenthalts- und Versteckmöglichkeiten für Fische und Wasserorganismen bereithalten und so zur Artenvielfalt beitragen. Wichtig war es anschließend, den gefällten Baum gegen Abdrift aufgrund hoher Fließgeschwindigkeiten und Wind- bzw. Wellendruck zu sichern. Zwei Teilnehmer übernahmen diese Aufgabe, indem sie den Baum mit einem Stahlseil am Baumstumpf fixierten.
Bei der nächsten Aktion erfuhren die Teilnehmer, wie man schnell und einfach aus Reisigmaterial sogenannte Faschinen zur Uferbefestigung baut. Auf Metall-ständern wurde dazu Reisigmaterial aufgelegt und anschließend mit Stahldraht zu stabilen Röhren zusammengezogen. Heitmann erläuterte auch, warum man beim Einbau von Totholz auf natürliche und verrottbare Materialien zurückgreifen sollte. „Geglühter Stahldraht, wie er auch beim Zusammenbinden von Bewährungsstahl eingesetzt wird, eignet sich für den Faschinenbau besonders gut, denn er rostet mit der Zeit und löst sich auf“. Die Faschinen wurden anschließend im Uferbereich des Sees eingebaut und mit Holzpflöcken fixiert. Eine Arbeit, die man auch schnell und kostengünstig mit den Petrijüngern an den eigenen Gewässern durchführen kann. Anstelle von trockenen Holzpflöcken können auch frisch abgeschnittene Weidenäste verwendet werden, diese bilden dann Wurzeln, schlagen aus und helfen zusätzlich einen abbruchgefährdeten Uferabschnitt zu sichern.
Während es gerade noch darum ging, Totholz zur Uferstabilisierung einzusetzen, kann damit aber ganz bewusst auch das Gegenteil erreicht werden. Gerade und monoton gestaltete Uferbereiche bieten wenig Lebensraum und Rückzugsmöglichkeiten für Fische und andere Wasserbewohner. Wurzelstöcke von großen abgestorbenen Bäumen eignen sich hervorragend, um die Pool- oder Kolkbildung in einem Gewässer zu unterstützen. Die Strömung wird durch einen Wurzelstock mehrfach gebrochen und fördert die Entstehung von Abbruchkanten im Uferbereich. So entstehen unterschiedliche Gewässerstrukturen am Ufer selbst und in der Gewässersohle, die nachfolgend von vielen Fischarten und Kleinlebewesen als Lebensraum genutzt werden. Es bilden sich also nicht nur interessante Angelstellen, die entstehenden Steilkanten werden z.B. von Eisvögeln zum Bau von Niströhren angenommen. Die Teilnehmer waren auch hier eifrig bei der Sache und führten viele der Arbeiten eigenhändig durch. „Das Ziel war es, die Jugendleiter direkt mit in die Arbeiten einzubeziehen“, so Anika Rohde. „Wir haben die Aktionen gemeinschaftlich mit den Teilnehmern erstellt, um so ganz bewusst zu zeigen, dass selbst schwere Arbeiten in einer Gruppe viel Spaß bringen können. Das gilt ebenso, wenn die Umsetzungen in den Vereinen mit den Jugendlichen anstehen“.
Fingerfertigkeiten mussten die Teilnehmer vor allem beim Bau einer Laichhilfe aufbringen. Die Laichhilfe, die den Zandernachwuchs fördern soll, wurde aus Tannengrün erstellt. Dazu wurden an einem Gerüst aus unbehandeltem Holz Tannenzweige befestigt. Die gesamte Konstruktion wurde anschließend in einer Tiefe von 3-5 Metern im Gewässer versenkt. Der Zandernachwuchs ist kurz nach dem Schlupf sehr lichtempfindlich. In klaren Aussandungsgewässern kann eine solche Laichhilfe dem Zandernachwuchs ein geschütztes „Nest“ für die ersten Tage bieten. Damit die Konstruktion auch auf den Grund des Sees abtauchen konnte, wurden an das Holzgestell sandgefüllte Jutesäcke befestigt, bevor einige Teilnehmer die Laichhilfe mit einem Boot an den gewünschten Zielort brachten. Alternativ können auch ganze Tannen einzeln oder in Gruppen zusammengebunden als Zanderlaichplatz dienen. Als Gewicht haben sich die sandgefüllten Jutesäcke bewehrt. Idealerweise wird so ein Jutesack mit dem Substrat gefüllt, das natürlich am Gewässer vorkommt. Das können Steine und Kiesel oder wie in diesem Fall gelber Sand aus der Zeit des Sandabbaus sein. Nach wenigen Wochen ist das Holz soweit mit Wasser vollgesogen, dass es nicht mehr auftreibt. Die Jutesäcke bauen sich mit der Zeit ab und Sand oder Kies verbleiben am Gewässergrund.
Nester wurden aber nicht nur für den Zandernachwuchs erstellt. Im Wichumer See ist der vom Aussterben bedrohte Edelkrebs zu Haus. Er konnte vor einigen Jahren in diesem Gewässer erfolgreich angesiedelt werden. Um diesen wertvollen Wasserbewohnern Rückzugsmöglichkeiten in dem strukturarmen See anzubieten, wurden Höhlen aus Totholz gebaut und in das Gewässer eingesetzt. Vor allem an jungen Aussandungsgewässern ist der Gewässergrund bzw. das Substrat noch ständig in Bewegung. Dauerhafte Höhlen, die die nachtaktiven Krebse tagsüber benötigen, fehlen daher oftmals. Die Krebshöhlen aus Totholz stellen ganz bewusst nur einen kleinen Lebensraum für eine bestimmte Tierart dar.
Der Unterwasserwald hingegen, den die Teilnehmer angelegt haben, ist für eine Vielzahl der Wasserbewohner attraktiv. Seen sind vielfach sehr strukturarm. Dies ist meist auf ihre Entstehung zurückzuführen (Abgrabungsgewässer, Kiesgruben). Der Gewässergrund ist monoton und gleicht dem einer Badewanne. Ein Unterwasserwald schafft in solchen Gewässern ein „Riff“ für vielfältiges Leben. Neben Versteck- und Laichmöglichkeiten für Fische beheimatet ein Unterwasserwald vielfältiges kleineres Leben, das die Nahrungsgrundlage für Fische darstellt. Beim Anlegen eines Unterwasserwaldes bedarf es schon körperlicher Anstrengung und einer gute Koordination der Akteure. Bäume von 6 Metern Länge wurden von den Teilnehmern mit einem Boot auf den See hinaus gezogen. Was sich anfänglich relativ einfach anhört, erforderte doch eine ganze Menge Kraft. Hier kam es auch auf die Teamfähigkeit der Teilnehmer an. Letztlich konnten das Steuern des Bootes, die Beobachtung der Wassertiefe und die Führung des am Boot angehängten Baumes nur erfolgreich koordiniert werden, indem die Besatzung als Team auftrat. Zwar spekulierten die Beobachter am Ufer damit, dass einer der Bootsbesatzung doch noch ins Wasser fallen würde, doch das Bootsteam war hervorragend eingespielt und blieb trocken.
Zum Ende des Lehrgangs legten die Lehrgangleiter den Fokus auf Totholzaktionen, die an Land, also am Ufer installiert werden können. Zum einen stellte Benedikt Heitmann eine schnelle und einfache Methode für den Bau eines Wildbienenhotels vor. Wildbienen benötigen für ihre Aufzucht der Larven Röhren, in denen sie die Eier nacheinander ablegen können. In der Natur werden dazu Schilfhalme oder Erdröhren genutzt. Ein Bienenhotel wird aber ebenso gerne angenommen, vor allem dann, wenn es an natürlichen Eiablagestellen fehlt. Das einfachste Bienenhotel besteht aus einem Baumstamm, der in die Erde eingegraben wird. Anschließen wird das Holz mit einer Säge angeschnitten und in die Schnittfläche 8-10 cm tiefe Löcher hineingebohrt, fertig ist ein Bienenhotel. Die Anzahl der „Zimmer“ fiel am Beispielobjekt jedoch erst mal etwas geringer aus. Der Akkuschrauber hatte lediglich Kraft für wenige „Zimmer“.
Die letzte Aktion wurde auch gleich dazu genutzt, nicht gebrauchtes Holz- und Reisigmaterial noch sinnvoll zu verwenden. Aus den „Holzresten“ wurde so noch schnell eine Totholzhecke in den Uferbereich gebaut, die zukünftig für Vögel, Insekten und Nager einen Lebensraum darstellt.
Neben den vielfältigen und interessanten Aktionen wurde das Augenmerk auch auf die rechtlichen Aspekte gelenkt. „Es ist nicht erlaubt, in öffentlichen Gewässern einfach so Totholz einzubringen“, erläuterten Heitmann und Rohde. Viele grundlegende Überlegungen bezüglich Hochwasserschutz, Eigentumsverhältnisse, Gesamtauswirkungen im Fluss und die Haftung für Schäden müssen daher vor dem Einbringen von Totholz in einem Gewässer getroffen werden. Ansprechpartner in diesem Zusammenhang sind die jeweils zuständigen Landschafts- bzw. Wasserbehörden der Kommunen bzw. Kreise, sowie die Mitarbeiter der LFV Geschäftsstelle in Münster (Tel. 0251-48271-21).
Wenn Sie Fragen zu den Themen oder allgemein zum Wettbewerb NATURE-CHALLENGE haben, nehmen Sie Kontakt mit uns auf: Sie können uns gerne eine Mail mit Fragen unter nature@lfv-westfalen.de schicken. Wir bemühen uns, Ihre Fragen so schnell wie möglich zu beantworten. Alternativ können Sie uns auch telefonisch erreichen: Anika Rohde Tel. 0251-48271-21
(Bilder: Gerd Droop, Harald Treder)