Tiere im Dortmund-Ems-Kanal sterben

Tiere im Dortmund-Ems-Kanal sterben

Meppen/Lingen. Viel zu riechen ist am Freitagmorgen nicht am Dortmund-Ems-Kanal. Kein fauliger Gestank, nur eine leichte Fischnote, fast ein wenig wie am Meer. Aber die toten Brassen, Barsche und Aale am Ufer mahnen: Hier läuft etwas schief.

Alle paar Meter liegen Fische am Ufer, manche schnappatmen noch, andere zucken nicht mehr. Die Angler vom Angelsportverein Meppen (ASV) patrouillieren mit ihren Keschern an den steinigen Ufern des Kanals unterhalb der Schleuse Varloh und sammeln größere Exemplare ein.

„Die meisten toten Fische sinken wohl auf den Gewässerboden“, befürchtet Christoph Elbert, Geschäftsführer des ASV. Sein Handy klingelt unablässig wie einer jener alten Apparate mit Wählscheibe. Mal ist Elbert mit dem Landesfischereiverband verbunden, mal sind es Kollegen aus dem Verein, manchmal auch Behördenvertreter. Elbert koordiniert seit Donnerstag einen der wohl größten Einsätze seines Vereins.

Auch ASV-Vorsitzender Dieter Heuwers und die anderen Angler wollen retten, was noch zu retten ist, vor allem die noch lebenden Aale. Sie sammeln deshalb die langen, glitschigen Fische ein, deren Bestand in den vergangenen Jahren überall dramatisch zurückgegangen ist. Die noch lebensfähigen Tiere werden in Tonnen gefüllt und dann in umliegende Gewässer mit ausreichend Sauerstoff gebracht – künstliche Beatmung für Aale.

Das Güterschiff „Angelus Dei“ fährt platschend durch – am Bug setzt sich weißer Schaum ab. Schaum, der am Donnerstagabend und in der Nacht noch das ganze Hafenbecken bedeckt hatte. Nach dem Schiffsbrand vor der Raffinerie Holthausen waren die Reste von Löschmitteln und Benzin langsam den Dortmund-Ems-Kanal hinabgeschwommen. In der Schleuse Varloh wird das Wasser wieder aufgewirbelt und der Schaum entsteht.
Abbauprozess

Als die Feuerwehren die 900000 Liter Benzin des havarierten Tankers löschten, verhinderten sie eine Katastrophe, vor allem, indem sie spezielle Löschschäume einsetzten. Schäume offensichtlich mit Langzeitwirkung.

Nach Angaben des Landkreises Emsland haben Spezialfahrzeuge zwar einen Großteil der Verunreinigungen im Hafenbereich abgesaugt. Aber eben nicht alles.

Die im Wasser gelösten Schäume seien biologisch abbaubar, sagte ein Landkreis-Sprecher. „Die Abbauprozesse führen jedoch zu einem vorübergehend stark verringerten Sauerstoffgehalt im Wasser, der als Ursache für ein lokales Fischsterben an der Schleuse Varloh gilt.“ Im Klartext: Beim Abbau der Schaumreste verbrauchen die daran beteiligten Mikroorganismen den gesamten im Wasser gelösten Sauerstoff. Christoph Elbert bestätigt: „Messungen haben ergeben, dass stellenweise gar kein Sauerstoff mehr vorhanden ist.“ Fast alles Getier erstickt.

Am Nachmittag dann eine neue Hiobsbotschaft. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Aale mit Giften belastet sind. Stadt Lingen und Landkreis Emsland warnen vor ihrem Verzehr. Auf Nachfrage bestätigte ein Kreissprecher, dass beim Löschen auch Schäume zum Einsatz gekommen seien, die zumindest in Spuren noch sogenanntes PFOS enthalten haben. Der Stoff ist für Säugetiere giftig und nicht abbaubar, war aber bislang für das Löschen von Flüssigkeitsbränden unverzichtbar. Ab Sommer 2011 ist er verboten, derzeit noch erlaubt.

Deshalb haben die Helfer ab dem Nachmittag die traurige Aufgabe, alle Aale zu töten. Zentnerweise wandern sie nun in die Fleischmehlfabrik. Und wie geht es weiter? Dieter Heuwers schwant Übles. „Wenn es wärmer wird, treiben die ganzen toten Weißfische nach oben“, fürchtet er. Und an die Folgen für die Ems, in die der Kanal bei Meppen mündet, mag er nicht denken.

Aber noch regiert das Prinzip Hoffnung. Am Nachmittag rücken die Feuerwehren Bawinkel, Meppen, Osterbrock und Emsbüren an und wälzen mit großen Pumpen das Kanalwasser um. Neuer Sauerstoff für die Fische. (Lingener Tagespost)

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